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Die Bundesregierung hat am 05. April 2023 den Gesetzentwurf für die „Pflegereform 2023“ mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) beschlossen. Der Gesetzentwurf muss noch im Bundestag und im Bundesrat beraten und abgestimmt werden.

Das PUEG sieht insbesondere folgende Veränderungen bzw. Leistungsverbesserungen vor:

  • Um die häusliche Pflege zu stärken, wird das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um 5% erhöht.
  • Aus diesem Grund werden auch die ambulanten Sachleistungsbeträge zum 1. Januar 2024 um 5% angehoben.
  • Das Pflegeunterstützungsgeld kann von Angehörigen künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden und ist nicht mehr beschränkt auf einmalig insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person.
    Die Verbesserungen treten zum 1. Januar 2024 in Kraft.
  • Zum 1. Januar 2024 werden die Zuschläge (nach § 43c SGB XI), die die Pflegekasse an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen zahlt, erhöht. Die Sätze werden von 5% auf 15% bei 0 - 12 Monaten Verweildauer, von 25% auf 30% bei 13 - 24 Monaten, von 45% auf 50 % bei 25 - 36 Monaten und von 70% auf 75% bei mehr als 36 Monaten angehoben.
  • Zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 werden die Geld- und Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert. Für die langfristige Leistungsdynamisierung wird die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge erarbeiten. 
  • Die komplex und intransparent gewordenen Regelungen zum Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit in § 18 SGB XI werden neu strukturiert und systematisiert, so dass verfahrens- und leistungsrechtliche Inhalte in voneinander getrennten Vorschriften übersichtlicher und adressatengerechter aufbereitet sind.
  • In der stationären Pflege wird die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens durch die Vorgabe weiterer Ausbaustufen beschleunigt. Dabei ist die Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu berücksichtigen.
  • Um das Potential der Digitalisierung zur Verbesserung und Stärkung der pflegerischen Versorgung zu nutzen und die Umsetzung in die Praxis zu unterstützen, wird ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege eingerichtet.
  • Das Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen mit einem Volumen von insgesamt etwa 300 Mio. Euro wird um weitere Fördertatbestände ausgeweitet und bis zum Ende des Jahrzehnts verlängert.

Zum 1. Juli 2023 werden die Beitragssätze für die sozialen Pflegeversicherung erhöht. Gleichzeitig wird das Urteil vom Bundesverfassungsgericht umgesetzt, dass kinderreiche Familien stärker entlastet werden müssen. Die neuen Beitragssätze:

  • Mitglieder ohne Kinder 4,00%  Arbeitnehmer-Anteil 2,30%
  • Mitglieder mit 1 Kind 3,40% Arbeitnehmer-Anteil 1,70%
  • Mitglieder mit 2 Kindern 3,15% *) Arbeitnehmer-Anteil 1,45%
  • Mitglieder mit 3 Kindern 2,90% *) Arbeitnehmer-Anteil 1,20%
  • Mitglieder mit 4 Kindern 2,65% *) Arbeitnehmer-Anteil 0,95%
  • Mitglieder mit 5 u. mehr Kindern 2,40% *) Arbeitnehmer-Anteil 0,70%

*) Ab dem 2. Kind gilt die Reduzierung der Beiträge nur für Kinder bis 25 Jahre.

Der Arbeitgeberanteil beträgt immer 1,7%. Rentner zahlen immer den vollen Beitrag.

Die Kritik über die Reform der Pflegeversicherung 2023 ist von einigen Organisationen sehr negativ. So schreibt z.B. der Verband der Ersatzkassen (vdek):
Der Entwurf greift aus Sicht des vdek viel zu kurz. Zwar werden notwendige Leistungsverbesserungen vorgenommen. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch werden die Maßnahmen die Ausgabenentwicklung und finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen allenfalls kurzfristig auffangen können.
Zentrale Punkte des Koalitionsvertrags werden nicht eingehalten. So werden die Rentenbeiträge pflegender Angehöriger nicht aus Steuermitteln finanziert. Das würde die Pflegeversicherung und die Beitragszahler um bis zu 3,7 Milliarden Euro jährlich entlasten. Zudem wird die Ausbildungskostenumlage nicht aus den einrichtungsbezogenen Eigenanteilen ausgegliedert und über Steuermittel finanziert. Dabei wäre dies sachgerecht, da Ausbildungskosten eine gesamtgesellschaftlich zu finanzierende Aufgabe sind und es würde die Pflegebedürftigen in den stationären Pflegeeinrichtungen entlasten. Mit Blick auf die laufend steigende finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen in der stationären Pflege sollen endlich auch die Bundesländer in die Verantwortung genommen werden und die Investitionskosten der stationären Altenpflege vollständig übernehmen. Dies würde die Pflegebedürftigen, die in einer stationären Pflegeeinrichtung leben, sofort monatlich um durchschnittlich 472 Euro entlasten.
Die Differenzierung der Beitragssätze nach der Zahl der Kinder ist sachgerecht. Allerdings werden unter den Bedingungen der geplanten Beitragssatzerhöhung im Vergleich zum Satus quo tatsächlich nur Familien mit vier und mehr Kindern entlastet. Die Umsetzung der Änderung wird jedoch eine deutlich längere Vorlaufzeit von mindestens 9 Monaten benötigen. Bei den beitragsabführenden Stellen sind umfangreiche Systemumstellungen notwendig. Zudem muss zunächst die individuelle Kinderzahl ermittelt und die Nachweise geprüft werden. Die Berücksichtigung der genauen Kinderzahl kann deshalb realistischerweise erst ab 2024 erfolgen.

Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, sprach von „Murks“. Statt auf Digitalisierung zu setzen, werde neue Zettelwirtschaft vorgeschrieben. Arbeitgeber müssen in vielen Millionen Fällen Geburtsnachweise der Kinder ihrer Beschäftigten einsammeln, um die neue kinderzahlabhängige Gestaltung der Pflegebeiträge umzusetzen. Es brauche eine Stelle, bei der die Kinderzahl digital abgerufen werden könne. Erst dann dürfe die neue kinderzahlabhängige Beitragsstaffelung starten. Kampeter: „Jetzt sollen bis zu einer eventuellen digitalen Lösung die Daten händisch erfasst werden. Das ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung.“

Aus Sicht der ADG ist die Reform der Pflegeversicherung 2023 weniger als ein Reförmchen. Zu der ADG-Forderung, die Pflegeversicherung zu einer modernen Pflegevollversicherung für alle Bürger zu reformieren, findet man keine Ansatzpunkte. Der hohe und weiter steigende Eigenanteil ist für die Pflegebedürftigen nicht zumutbar und treibt immer mehr Menschen in die Sozialhilfe. Unsere Forderungen insbesondere sind:

  • Einheitliches Pflegeversicherungssystem für alle Bürger einschließlich Selbstständige, Politiker und Beamte – kein Zweiklassensystem
  • Eine menschenwürdige Pflege, nicht im Minutentakt nach Festbeträgen
  • Die Pflege kann und darf nicht auf Profit für wenige ausgerichtet sein und unter Wettbewerbsdruck stehen. Private Unternehmen dürfen nicht auf Kosten der Pflegebedürftigen und der Beschäftigten in der Pflege hohe Gewinne mache
  • Beitragspflicht für alle Einkommen
  • Aufhebung bzw. Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze
  • Aufhebung der Eigenanteile für die Pflegekosten, auch bei der häuslichen PflegeDie Forderungen wurden 2021 an Herrn Prof. Dr. Karl Lauterbach und weiteren 340 namhaften Politikern persönlich per Brief gestellt.
  • Aufhebung der Eigenanteile für die Investitionskosten, sie sind Aufgabe der Länder und Kommunen, ersatzweise finanziert sie die Pflegeversicherung
  • Die Beiträge der abhängig Beschäftigten tragen paritätisch Arbeitgeber und -nehmer zu gleichen Teilen, Selbständige den vollen und Rentner max. den halben Beitragssatz.
  • Keine Beiträge von Pflegebedürftigen

Die Forderungen wurden 2021 an Herrn Prof. Dr. Karl Lauterbach und weiteren 340 namhaften Politikern persönlich per Brief gestellt.