Eigentlich sollte alles in bester Ordnung sein. Nach dem so genannten Alterseinkünftegesetz (AltEinkG), das am 1.1.2005 in Kraft trat, können Pflichtversicherte der gesetzlichen Rentenversicherung ihre Beiträge zunehmend steuerlich absetzen. Im Gegenzug werden ihre Renten später vermehrt besteuert.
Wir müssen leider nachdrücklich darauf aufmerksam machen, dass Pflichtversicherte und Rentner durch diese Steuer-Gesetzgebung finanziell ausgeplündert werden. Und ohne einen kritischen Blick hinter die Kulissen würden viele Betroffene diesen Missstand nicht einmal bemerken.
Den Ausgangspunkt für diese fatale Entwicklung bildet ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2002 (Aktenzeichen 2 BvL 17/99). Darin wird festgestellt, dass Pensionäre gegenüber Rentnern steuerlich benachteiligt werden. Allerdings unterlaufen dem Gericht bei seiner Entscheidung mehrere Fehler. So verwendet das Verfassungsgericht entgegen seinen eigenen Quellen falsche Daten für Renten und zu versteuernde Zusatzeinkommen. Auch werden Pensionen geringer angesetzt als die so genannte Mindestversorgung. Dies steht im Widerspruch zum Beamtenrecht.
Als Folge der Gerichtsentscheidung beauftragte der Bundesfinanzminister eine Sachverständigenkommission zur Erarbeitung eines Konzepts für das heutige Alterseinkünftegesetz. Die Sachverständigen beanstandeten allerdings keineswegs, dass der Gerichtsentscheidung falsche Daten zugrunde liegen. Sie wunderten sich auch nicht darüber, dass die Rente eines „typisierten“ Pflichtversicherten deutlich unter derjenigen Rente lag, die das Verfassungsgericht ermittelt hatte. Schließlich unterstellte die Sachverständigenkommission realitätsfern jährliche Rentenerhöhungen von 2,6 Prozent. Hierdurch soll rein rechnerisch die vom Bundesverfassungsgericht verbotene Doppelbesteuerung eingezahlter Beiträge ausgeschlossen werden.
Im Ergebnis nahmen weder das Bundesverfassungsgericht noch die Sachverständigenkommission die zahlreichen steuerlich-finanziellen Nachteile wahr, die Pflichtversicherte gegenüber Beamten treffen. So erhielten Pflichtversicherte in der Zeit von 1960 bis 2004 immer einen geringeren Steuernachlass für ihre Vorsorgeaufwendungen als Beamte. Sie zahlten auch eine höhere Steuer unter sonst gleichen Bedingungen. Für den gleichen Rentenanspruch entrichteten Pflichtversicherte unterschiedlich hohe Rentenversicherungsbeiträge. Und schließlich konnten ihre Pflichtbeiträge auf Staatsseite wie Steuermittel verwendet werden. Dies bedeutet faktisch eine entsprechende Einsparung der Aufnahme hoher Staatsanleihen.
Unterm Strich ergibt die Summe von Nachteilen, die einen pflichtversicherten Durchschnittsverdiener gegenüber einem Beamten mit entsprechendem Einkommen treffen, einen Betrag von 92.000 Euro. Hierin sind die Zinsen noch nicht einmal enthalten. Weder Verfassungsgericht noch Sachverständigenkommission dachten an eine Rückzahlung dieser Summe an die Betroffenen. Verzinst über seine Berufszeit von 1960 bis 2004 erleidet der Durchschnittsverdiener eine steuerlich-finanzielle Benachteiligung von insgesamt 362.000 Euro.
Die größte Auffälligkeit betrifft jedoch die steuerliche Subventionierung von Beamten und Pensionären. Hierin liegt ein klarer Widerspruch zum zweiten Leitsatz der Gerichtsentscheidung. Diese Subventionierung beruht insbesondere auf folgenden drei Punkten: der Nichtbegleichung von enteigneten angesparten Pflichtbeiträgen; einer niedrigeren Vorsorgepauschale für Pflichtversicherte und der Verwendung von Rentenversicherungsbeiträgen anstelle des Bundeszuschusses.
Das Bundesverfassungsgericht, die Sachverständigenkommission und schlussendlich der Gesetzgeber haben dafür gesorgt, dass durch das Alterseinkünftegesetz den Pflichtversicherten und Rentnern erhebliche steuerlich-finanzielle Nachteile entstanden sind und auf lange Sicht entstehen werden. Ohne diese Benachteiligung wäre Altersarmut für Pflichtversicherte ein weniger bedeutsames Problem.
Weitere Informationen unter: Das Alterseinkünftegesetz
Dr. Horst Morgan
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