Die Aktion Demokratische Gemeinschaft e.V. (ADG) setzt sich u.a. für die Erhaltung der sozialen Sicherungssysteme ein. Zu ihnen gehört insbesondere die gesetzliche Rentenversicherung.

Von der Bundesregierung wird in Debatten und Diskussionen um die Zukunft der Rentenversicherung als Begründung für die per Gesetz beschlossenen Nachteile für die Beitragszahler und Rentner das "demographische Problem" angeführt. Dabei argumentiert die Regierung etwa so: Als Resultat des Wandels in der Altersstruktur werden die Menschen älter und beziehen länger Rente. Zugleich geht die Zahl der Beitragszahler zurück, d.h. immer weniger Menschen müssen immer höhere Beiträge aufbringen.

Schwierigkeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Grund der demographischen Entwicklung - wenn sie denn zu einem Problem werden - sind nicht vor dem Jahr 2015 zu erwarten.

Aus Sicht der ADG ist bei der gesetzlichen Rentenversicherung aber zur Zeit die demographische Entwicklung nicht das Problem. Denn erst ab dem Jahr 2015 beginnt die Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge. Zudem kann niemand die wesentlichen Einflußfaktoren auf die Rentenversicherung wie die Entwicklung des Arbeitsmarktes, die Frauenerwerbsquote, die Zuwanderung, die Ausbildungsdauer und die Geburtenrate annähernd verläßlich prognostizieren (Süddeutsche Zeitung, 21. Juni 1997).

Dennoch hat die Regierung per Gesetz beschlossen, das Rentenniveau bereits ab 1999 deutlich zu senken.

Auch der Hinweis, daß die Zahl der Beitragszahler zurückgeht, d.h. daß immer weniger Menschen immer höhere Beiträge aufbringen müssen, hat mit der demographischen Entwicklung nichts zu tun. Die Zahl der Beitragszahler hängt im wesentlichen von zwei Faktoren ab:

  • der Beschäftigungsrate sowie
  • von dem Personenkreis, dem Beiträge abgefordert werden.

In Bezug auf die Beschäftigungsrate hätte es die Regierung selbst in der Hand, durch konzertierte Aktionen, Konjunkturförderungsprogramme, Steuer- und andere Reformen Einfluß zu nehmen. Die bisherigen Reformen haben nur gravierende Einschnitte in das Arbeits- und Sozialrecht gebracht und keine neuen Arbeitsplätze geschaffen.

Nicht nur die Zahl der Beitragszahler, sondern auch die Gerechtigkeit in der Altersversorgung ließe sich durch Einbeziehung der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung in die gesetzliche Rentenversicherung deutlich erhöhen - wie z.B. in der Schweiz und in Österreich.

Dr. Norbert Blüm, Aussage 1989 zur demographischen Entwicklung:
Unseren politisch Verantwortlichen sollte ein Auszug aus der Rede des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Norbert Blüm, anläßlich der ersten Beratung des Renten-Reformgesetzes 1992 am 10. März 1989 im Deutschen Bundestag in Erinnerung gerufen werden:
"Gesunkene Geburtenzahlen und steigende Lebenserwartung, das sind die zwei wichtigsten Gründe, die eine Umstellung unseres Rentensystems notwendig machen.
Wir stellen uns um, aber wir reißen das Rentenhaus nicht ein.
Das Rentensystem ist tragfähig für die Anforderungen der Zukunft. Wir nehmen seinen Umbau rechtzeitig vor: Die Rentner können sich darauf verlassen - ihr Vertrauen ist für uns Verpflichtung."

Das Rentenreformgesetz 1992 berücksichtigte bereits die demographische Entwicklung für die nächsten 30 Jahre.

Mit dem Rentenreformgesetz 1992 wurde die Rentenanpassung an die Nettolohn- statt wie vorher an die Bruttolohnentwicklung gekoppelt. Damit sollten sich die verfügbaren Einkommen der Rentner im gleichen Maße entwickeln, wie die verfügbaren Einkommen der Arbeitnehmer. Trotzdem hat der Deutsche Bundestag mit der Regierungsmehrheit am 11. Dezember 1997 den Einspruch des Bundesrates gegen das Rentenreformgesetz 1999 zurückgewiesen.
Innerhalb von sieben Jahren hat die Regierung mit dem selben Argument "demographische Entwicklung" zweimal nachteilige Beschlüsse für die Rentenversi-cherung gefaßt, ohne daß sich die demographische Entwicklung geändert hätte.

Damit ist das Rentenreformgesetz 1999 in Kraft getreten, in dem zum zweiten Mal das "demographische Problem" zu Lasten der Arbeitnehmer strapaziert wird. Mit diesem Gesetz wird die Rentenanpassungsformel um einen demographischen Faktor ergänzt. Er bewirkt, daß sich künftig der Rentenanstieg verlangsamt.

Bisher betrug das Standard-Nettorentenniveau 70% des Durchschnitttseinkommens aller Beschäftigten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Vorausgesetzt werden dabei 45 Jahre Beitragszahlung in Höhe des jährlichen Durchschnittseinkommens. Ab 1999 wird das Standard-Nettorentenniveau stufenweise bis zum Jahr 2030 auf 64% abgesenkt, d.h. effektiv um etwa 9%.

Die Bundesregierung geht bei ihren Modellrechnungen bis zum Jahr 2030 von einer jährlichen Lohnsteigerung von 3% aus. In Anbetracht der derzeitigen Arbeitsmarktsituation scheint der ADG die Entwicklung des Jahres 1998 (= 0,44%) für die kommenden Jahre sehr viel wahrscheinlicher zu sein. Durchschnittliche Nettolohnerhöhungen von 0,44% führen aufgrund des demographischen Faktors dazu, daß es in 20 der nächsten 30 Jahre keine Rentenanpassung geben wird (Süddeutsche Zeitung 20.4.1998).

Zur Sicherstellung der Altersversorgung durch die gesetzliche Rentenversicherung bieten sich folgende Lösungen an:

  • Vollständige Finanzierung der sogenannten versicherungsfremden Leistungen aus Steuermittel (siehe Informationsschrift der ADG: "Versicherungsfremde Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung")
  • Einbeziehung der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung in die gesetzliche Rentenversicherung nach dem Beispiel Schweiz und Österreich.
  • Einbeziehung der 620/520-DM-Beschäftigungsverhältnisse in die Sozialversicherung bei gleichzeitiger Abschaffung der 20% Pauschalsteuer
Außerdem fordern wir:
    Verbesserte Rahmenbedingungen für zusätzliche Alterssicherungssysteme (Betriebsrenten, Lebensversicherungen, etc.)