Verfasser: Dietmar Geipel, Franz Eichenseher

Altersvorsorge in Deutschland

Im Koalitionsvertrag der deutschen Bundesregierung ist die Reform der Alterssicherung genannt. Ziel ist ein finanzierbares Rentensystem, das den Menschen im Alter einen angemessenen Lebensstandard garantiert. Die bestehende Rentenversicherung stößt auf Finanzierungsschwierigkeiten, die u.a. auf die sogenannten Fremdlasten und die Beschäftigungspolitik zurückzuführen sind. Zusätzlich hat das Nebeneinander verschiedener Systeme der Alterssicherung (Arbeiter- und Angestelltenversicherung, Beamten- und Politikerversorgung, Kammern für freie Berufe, Betriebsrenten auf der Basis der Freiwilligkeit, Versicherungsfreiheit für einen Teil der Selbständigen und für Nichterwerbstätige) zu Ungerechtigkeiten geführt und trifft zunehmend auf Kritik.

Altersvorsorge in der Schweiz

Ein Weg zur Zielfindung könnte für die deutsche Bundesregierung eine Anlehnung an das Rentensystem der Schweiz sein, wo die Altersvorsorge auf drei Säulen aufgebaut ist:

3-Säulen-System

1. Säule: Die staatliche Alters- und Hinterbliebenenversicherung, die mit der Invalidenversicherung gekoppelt ist (AHV-IV)

2. Säule: Die "berufliche Vorsorge" ( BVG)

3. Säule: Zum Teil steuerlich begünstigtes, freiwilliges Sparen.

Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (s. Artikel 34) sieht vor, dass die Leistungen der 1. Säule den Existenzbedarf decken und die der 2. Säule die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung angemessen ermöglichen soll.

Kreis der Versicherten

1. Säule: Obligatorisch versichert sind alle Personen, die in der Schweiz ihren Wohnsitz haben oder dort eine Erwerbstätigkeit ausüben. Die Versicherung bzw. Beitragspflicht beginnt für Erwerbstätige am 1. Januar nach Vollendung des 17. Lebensjahres, für Nichterwerbstätige nach Vollendung des 20. Lebensjahres.

Es ist also eine echte Volksversicherung, da im Gegensatz zur deutschen Rentenversicherung auch Beamte, Selbstständige und Politiker im gleichen System versichert sind.

2. Säule: Obligatorisch erfasst sind hier Arbeitnehmer mit einem Arbeitsentgelt zwischen 24.120 und 72.360 SFr/Jahr gegen die Risiken Tod und Invalidität ab 1. Januar nach Vollendung des 17. Lebensjahres, für die Altersvorsorge ab 1. Januar nach Vollendung des 24. Lebensjahres. Die Pensionskassen können jedoch auch Arbeitnehmer mit Einkommen in ihren Geschäftsordnungen berücksichtigen, die außerhalb der obligatorisch vom BVG vorgesehen Einkommen liegen. Hierbei werden Arbeitnehmer mit Einkommen sowohl unterhalb wie auch oberhalb der genannten Einkommensgrenzen versichert (so genannte außerobligatorische Versicherung).

Finanzierung

1. Säule: Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen zusammen 9,8% vom Arbeitsentgelt, je zur Hälfte.

Selbständige zahlen 9,2% ihres Erwerbseinkommens. (Erwerbsein- kommen = Unternehmensgewinn nach Abzug von Zins für das in den Betrieb investierte Kapital). Die Beitragssätze sind auch von hohen und höchsten Einkommen zu entrichten - es gibt keine Beitragsbemessungsgrenze.

Nichterwerbstätige zahlen vermögensabhängig mindestens 390 bis maximal 10.100 SFr/Jahr.

Kapitalerträge unterliegen nicht der Beitragspflicht.

Die Finanzierung der 1. Säule erfolgt im Umlageverfahren, d.h. die Einnahmen eines Jahres sollen die Ausgaben decken.

Die öffentliche Hand (Bund und Kantone) beteiligt sich bei der Finanzierung der 1. Säule mit 20% der jährlichen Ausgaben.

2. Säule: Beiträge sind obligatorisch nur vom Arbeitsentgelt zwischen 24.120 SFr/Jahr und 72.360 SFr/Jahr zu entrichten. Es ist zwischen den Beiträgen für die Risikoleistungen bei Tod oder Invalidität und für Altersleistungen zu unterscheiden.

Die Beiträge betragen in Abhängigkeit von der Vorsorgeeinrichtung (Pensionskasse) für Risikoleistungen 3,3% bis 7,5% und für Altersleistun- gen 7% bis 18%, gestaffelt nach Altersgruppen - mindestens aber 3.015 SFr/Jahr.

Der Arbeitgeber hat mindestens die Hälfte der Beiträge zu übernehmen.

Für die 2. Säule (berufliche Vorsorge) gilt das Kapitaldeckungsverfahren, d.h. die Beiträge werden auf individuellen Konten der Arbeitnehmer gesammelt und mit gesetzlich vorgeschriebenen mindestens 4% verzinst.

Zur 2. Säule wird kein Staatszuschuss erbracht.

Leistungen

1. Säule: Die Altersrente beginnt für Männer nach Vollendung des 65., für Frauen z.Zt. nach Vollendung des 62. Lebensjahres (2001: ab 63, 2005: ab 64). Die Vollrente beträgt bei vollständiger Beitragsdauer (Kindererziehungszeiten und Zeiten der Pflege von Familienangehörigen gehören dazu) monatlich 1.005 SFr. (Mindestrente) und beitragsabhängig bis monatlich 2.010 SFr (Höchstrente). Die Renten eines Ehepaares dürfen 150% des Höchstbetrages, also monatlich 3.015 SFr, nicht übersteigen. (Stand: 1. Januar 1999.)

In der Regel erfolgt alle 2 Jahre eine Anpassung der Renten an die Lohn und Preisentwicklung.

2. Säule: Männer erhalten nach Vollendung des 65., Frauen z.Zt. nach Vollendung des 62. Lebensjahres eine Altersrente in Höhe von derzeit 7 ,2 % pro Jahr des angesammelten Altersguthabens einschließlich Zinsen.

Bis spätestens 3 Jahre vor Rentenbeginn kann die Auszahlung des Altersguthabens, anstelle einer Rentenzahlung, beantragt werden.

Steuerpflicht

Die Renten der 1 Säule sind grundsätzlich steuerpflichtig, allerdings nur zu einem bestimmten Steuersatz und mit Freibeträgen.

Die Renten der 2. Säule sind im vollen Umfang steuerpflichtig.

Fazit

Die Orientierung am schweizerischen System der Altersvorsorge könnte auch für Deutschland zielführend sein.

Das betrifft insbesondere:

  • Der Einbezug aller Bürger als Rentenbeitragszahler und der Wegfall der Bemessungsgrenze bei Erwerbstätigen bringen hohe Transparenz bei fairer Verteilung und schaffen gesteigerte Akzeptanz, soziale Sicherheit und sozialen Frieden.
  • Anpassungen lassen sich einfacher durchführen, weil es vergleichsweise weniger Ausnahmeregelungen gibt.
  • Die steuerlichen Anreize durch geringere Besteuerung schaffen Raum für zusätzliche private Vorsorge ( 3. Säule).
  • Die Mindestrente ist gesichert durch Staatszuschüsse.
  • Die Finanzierung der 2. Säule im Kapitaldeckungsverfahren nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen bringt höhere Rendite, weil Pensionskassen im Wettbewerb stehen.
  • Das gemeinsame System verstärkt Solidarität zwischen den Generationen und allen Bevölkerungsgruppen.
  • Nachteilig scheint sich auszuwirken, dass in der 2. Säule Geringverdiener nicht obligatorisch erfasst werden. Darüber hinaus wird durch die höhere Beitragszahlung für ältere Arbeitnehmer deren Beschäftigung nicht gefördert.